Inhalt:

9. Das Merkel Brett

(Bilder Leinwand 2006-2010 und unter WaSt als Artist-Provocateur)

8. Finanzkrise 2007/2008 - Die Gangster und die Peanuts oder: Diese Gangster fallen immer weich

(Bilder Leinwand 2006-2010 und unter WaSt als Artist-Provocateur)

7. TUAK Zyklon B(irma) 2008 - die Pest hat neue Namen ...

(Bilder Leinwand 2006-2010 und unter WaSt als Artist-Provocateur)

6. Evolutions-Geflüster (creating evolution)

(Bilder Papier ab 2006-2010 und 2011-2015, einige wenige Leinwand 2006-2010)

5. Dschordsch DubelYou: Pseudochrist im Größenwahn

(Bilder Leinwand 2006-2010 und unter WaSt als Artist provocateur)

4. Serie TUAK (in Bilder Leinwand ab 2005)

3. Serie Bäume (Bilder Papier eigene Karte)

2. Zur Frage der Bildentstehung

1. Warum nichtgegenständliche Kunst?



9. Das Merkel Brett

Bilder Leinwand 2006-2010 und unter WaSt als Artist-Provocateur; Erläuterungen in Karte Politische Diskussion

8. Finanzkrise 2008/2009 - Die Gangster und die Peanuts oder:
    Diese Gangster fallen immer weich

Bilder Leinwand 2006-2010 und unter WaSt als Artist-Provocateur; Erläuterungen in Karte Politische Diskussion

7. TUAK Zyklon B(irma) 2008

TUAK Zyklon B(irma) 2008 - die Pest hat neue Namen: Hitler, Stalin, Pol Pot, Idi Amin, Kim Yong-il, Mugabe, Mbeki,Than Shwe (Birma) . . .

(Bilder Leinwand 2006-2010). Eine weitere Kulmination des Bösen ereignet sich in Birma, wo eine verheerende Naturkatastrophe seitens einer Militärjunta benutzt wird, ein ehemals wirtschaftlich gut situiertes Land in den Ruin und die dort wohnenden Menschen in großer Zahl in den Tod zu treiben. Es kommt WaSt bei den zum Bild genannten Verbrechern nicht auf Namen an, die unschwierig durch Pinochet, Saddam Hussein und solche ergänzt werden könnten, die er nicht nennen darf, will er sich nicht der Gefahr aussetzen, umgebracht zu werden. Es kommt WaSt vielmehr auf ein Phänomen an, das wie eine neue Pest spätestens mit Hitler neu in die Welt gekommen ist und ganz offensichtlich Schule macht.

6. Evolutions-Geflüster (creating evolution)

Gegen Jahresende 2007 begann für WaSt eine neue Periode. Er versuchte wiederum fern von Vorstellungen in Bereiche der Phantasie vorzudringen, indem er auf schwarz grundierte Flächen, also quasi in Nicht-Licht Farblicht einarbeitete und zu Neuschöpfungen, zur Serie „Evolutions- Geflüster“ ("creating evolution") kam, die außerhalb alles dessen liegt, was an bisher Gesehenes erinnern könnte, wohl aber dem Betrachter Raum lassen will, sich seinerseits an Unterschiedlichstes zu erinnern. WaSt arbeitet damit nicht im von Willi Baumeister beschriebenen "schöpferischen Winkel" (Zielabweichung von der zuvor vom Künstler anvisierten Vorstellung), sondern die vorgrundierten schwarzen Flächen stellen schon zu Beginn den Raum dar, wo sich aus den Farben heraus im Schaffensprozess neue Wirklichkeiten gestalten. Für WaSt entstehen bei dieser Gestaltungsweise unerhörte, besser gesagt, ungesehene Spielräume, er empfindet diese Arbeitsprozesse als künstlerisches Spiel im Schillerschen Sinne: "der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt". Zum Titel "Evolutions- Geflüster" ("creatung evolution") kam WaSt, weil es bei der Arbeit an dieser Serie zu Entwicklungen kam, die einerseits geradlinig, andererseits in Sprüngen vonstatten gingen, wie man sie sich im Schöpfungsprozess der Evolution wohl vorzustellen hat.

Evolutions- Geflüster (creating evolution) hauptsächlich unter Bilder Papier 2006-2010 und 2011-2015, einige wenige unter Leinwand 2006-2010

5. Dschordsch DubelYou: Pseudochrist im Größenwahn

Logische Folge der Serie TUAK war die künstlerische Verarbeitung von Gewalt durch Menschen, verursacht durch Krieg. Nun befasst sich WaSt mit einer Katastrophe, die für jeden erlebbar eine Steigerung ins Unermessliche findet durch die jämmerliche, in ihrer Dümmlichkeit und Erbärmlichkeit unüberbietbare Politik, für die Dschordsch DubelYou Bush steht. Das Furchtbare daran ist, dass George W. Bush unter Vorgabe religiöser „Erweckung“ und mit einem Gefasel von Kreuzzug und Gebet vor jeder Kabinettssitzung das amerikanische Volk regelrecht vorführte und verführte, ihn und seinen Ölkrieg zu unterstützen. Die Erschütterung über dieses perfide Spiel und das damit einhergehende Blutbad löste in Walter Sturm das Triptychon aus: Dschordsch DubelYou: Pseudochrist im Größenwahn

Dieses Triptychon brach aus WaSt förmlich heraus, zunächst ohne eine Vorstellung dessen, was er auf die Leinwand bringen würde, getragen aber von dem Impuls, dem Schmerz über die Folgen einer abgefeimten, verlogenen und manipulierten Welt künstlerisch Ausdruck zu verleihen, denn: „Wer … ragt heraus aus diesem allzu Glatten, Mittelmäßigen, aus dem allgemeinen Trend zur Uniformität und Gleichschaltung, wer ist der knirschende Sand im Getriebe, wer wird dem lautlosen Funktionieren feindlich, wenn nicht der moderne Künstler? Er besitzt nach Hilde Domin noch den Mut zur Parteilichkeit gegen Ausgewogenheit und Neutralität, er ist der letzte Verteidiger einer nur noch mühsam atmenden Freiheit, die Stimme der Menschlichkeit, die verletzt und verletzbar erhält. Er ist der Partisan in einer feindlichen, repressiven Umwelt, der Anarchist, der überall „Nein“ sagt dort, wo die anderen kritiklos „Ja“ sagen, der alles in Frage zu stellen wagt, mit dem sich die anderen längst schon resignierend abgefunden haben. Ohne ihn, der nicht unbeteiligter Zuschauer und Konsument der Welt bleiben will, sondern aktiver Teilhaber und Mitgestalter, gäbe es nicht nur keine Kulturentwicklung in die Zukunft hinein, sondern es bliebe die ganze Weltgeschichte gleichsam stehen, bliebe in der Mittelmäßigkeit stecken“ (Zitat nach Diether Rudloff aus Andreas Mäckler: „Anthroposophie und Malerei“ Seite 321).

DubelYou und Rumsfeld sind die letzten Boten des moralischen Bankrotts der amerikanischen Politik. Locken Ölgeschäfte, so wird ein Verbrecher wie Saddam Hussein gejagt und umgebracht, stört einer wie Allende das politische Gesichtsfeld, wird auch der umgebracht, nutzt aber ein Gangster wie Pinochet dem Geschäft, macht sich Amerika mit ihm gemein. Damit verliert Amerika weltweit Gesicht und Ansehen, weil die Werte, die Demokratie, Charakter und Moral einmal ausmachten, unter dem Diktat von Wirtschaft und Militärs nament-lich unter DubelYou und Rumsfeld in die Gosse gekippt wurden. Für einen denkenden Menschen ist es zum Erbrechen. Wo blieb der Aufschrei in Amerika und in der zivilisierten Welt, als die amerikanische Politik in grandioser seelischer Verwahrlosung und moralischer Verrohung derer Protagonisten angesichts von zerfetzten, zerrissenen, zerhackten und verbrannten Leichen von Kindern, unschuldigen Frauen und Männern von Kollateralschäden sprach (politisch absolut korrekt - man ist ja schließlich immer Politiker und damit selten „Mensch“)? Wo blieb eigentlich der Aufschrei, als Seif al-Islam al-Gaddafi, Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi, lächelnd bemerkte, natürlich hätte man in Libyen gewusst, dass die rumänischen Krankenschwestern und der palästinensische Arzt, sämtliche acht Jahre in Libyen unter grausamsten Haftbedingungen und Folter zu „Geständnissen“ gezwungen, unschuldig waren? Welch dürftige Rolle spielte bei deren „Befreiung“ eigentlich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy? Hat irgendjemand gehört, dass Sarkozy nach der mit Chuzpe vorgetragenen Rede von Seif al-Islam al-Gaddafi die vereinbarten „Geschäfte“ widerrufen hat? Hat er irgendwelche Kritik geübt? Haben die Franzosen mit Sarkozy nicht ein ähnliches Problem, wie die Amerikaner mit ihrem DubelYou? Das Triptychon: „Dschordsch DubelYou: Pseudochrist im Größenwahn“ ist der Aufschrei eines Künstlers, dem es auf den Geist geht, sich das debile Geschwätz einer selbsternannten „Elite“ noch länger anhören zu müssen, der es leid ist, mitansehen zu müssen, wie die Menschheit unter Zuhilfenahme von den Parteien nahe stehenden, weil finanziell vereinnahmten und vom Großkapital gelenkten Medien für dumm verkauft wird. Der Künstler meint, es sei nun genug!!!

Dschordsch DubelYou Pseudochrist im Größenwahn:
siehe Bilder - Leinwand - 2006-2010 - dort WVZ L07107-L07109 .
WaSt bittet zum Meinungsaustauch: Link zu Pseudochrist im Größenwahn, dort FORUM anklicken.

4. TUAK

Lange bevor von Tsunamis die Rede war, beschäftigte sich Walter Sturm mit Gewalt in der Natur (Erdbeben, Überschwemmungen, Feuersbrünste u. dgl.) und mit Gewalt durch Menschen (Kriege, Gewalttaten), welchen die Betroffenen nichts entgegenzusetzen haben, welchen sie hilflos ausgeliefert sind. Situationen also, in welche der Mensch geworfen ist, ohne sich zur Wehr setzen zu können. Zwei Ereignisse bewirkten, dass Walter Sturm sich mit der Problematik farblich auseinanderzusetzen begann: Eine Malkollegin hatte den Luftangriff auf Dresden vom 13. bis 15.02.1945 malerisch thematisiert, wobei sie den Bilderzyklus in Schwarz- und Grauwerten hielt, und am 26.12.2004 kostete der große Tsunami im Indischen Ozean ca. 230000 Menschen das Leben.

Walter Sturm hat den Luftangriff am 27. November 1944 auf Freiburg mit vier Opfern in der Familie miterlebt und es gab im weiteren familiären Rahmen drei Opfer durch den großen Tsunami 2004. Diese und vergleichbare Geschehen drängten sich mit dem Rot von Blut und Feuer und dem Schwarz des Todes und der Vernichtung in sein Bewusstsein. Er begann die Serie TUAK, in welcher er versucht, die Geschehnisse künstlerisch aufzuarbeiten.

Die Serie TUAK ist möglicherweise noch lange nicht zu Ende.

3. BÄUME

Die Art, ohne Vorstellung aus der Farbe in die Form hineinzufinden, bewirkte oft, dass im malerischen Geschehen Farbräume entstanden, die mehr oder weniger horizontalen Landschaftscharakter haben. Die bewusste Gegenhaltung, nämlich vertikal zu arbeiten, begründete die Serie Bäume, wobei Bäume im Normalfall natürlich auch Bestandteile der Landschaft sind.-

2. Walter Sturm: Vernissage-Rede vom 10.02.2006 -
    Zur Frage der Bildentstehung

Ich wurde darum gebeten, einige Worte über mich und meine Arbeit zu sagen. Die Wiedergabe meiner Biographie ist mir nicht wichtig, sofern Sie da etwas interessiert, können Sie später draußen meine Vita nachlesen. Deshalb nur ganz kurz: Nach fast 40 Jahren Steuerberatertätigkeit habe ich erst mit 65 Jahren so richtig zu malen angefangen, jetzt bin ich 71, genau genommen 71 Jahre und einen Tag alt. Ab Anfang 2000 habe ich bei Paul Pollock in Freiburg-St. Georgen eine Malausbildung über knapp vier Jahre gemacht, vorher hatte ich bei ihm etwas mehr als ein Jahr einen Abend-Laienkurs ein Mal pro Woche belegt.

Bei Paul Pollock geht es nicht darum, nach Modellen, Motiven oder Vorstellungen zu malen, bei ihm wird versucht, rein aus der Farbe heraus künstlerisch zu gestalten, bei ihm geht es aber auch um das bewußtseinsmäßige Ergreifen des Außersinnlichen, also des sinnlich nicht Erfahrbaren in der Kunst. Da erlebte ich schon 1999 etwas, als ich mein erstes Bild auf Leinwand malte, was ich am liebsten mit Worten von Ingeborg Bachmann beschreiben möchte:

"Wir traten ein in verwunschene Räume und leuchteten das Dunkel aus mit den Fingerspitzen"

Versuchen Sie bitte einmal, diese POESIE mitzuempfinden:

"Wir traten ein in verwunschene Räume und leuchteten das Dunkel aus mit den Fingerspitzen"

Sehen Sie, da stehe ich vor einer weißen Leinwand oder vor einem weißen Papier und versuche, mit den Fingerspitzen - meistens Pinsel-verlängert, mitunter aber auch direkt mit den Fingerspitzen malend - versuche also den verwunschenen Raum auszuleuchten, versuche auf der Fläche mit Farbe und Pinsel das noch nicht sichtbare ins Sichtbare zu bringen. Das ist bei jedem Bild ein schöpferischer Prozeß, quasi ein Geburtsvorgang.

Was Sie auf meinen Bildern sehen, ist frei ohne Anlehnung an ein Motiv, an irgendeine Vorstellung oder dergleichen entstanden, wobei ich mich im Prozeß aber nicht verweigere, wenn sich Gestalt dezent melden will. Wenn Sie meine Bilder genau betrachten, können Sie das durchaus feststellen.

Ich könnte den Vorgang so beschreiben: Mit absoluter und totaler Präsenz immer wahrnehmend im Bild, das Wahrgenommene denkend reflektieren und dann den nächsten erforderlich scheinenden Schritt in einem Willensakt auch TUN. Und das in ständiger Folge: Wahrnehmen, denken, tun, wahrnehmen, denken, tun ...., immer voll im Prozeß, meistens selbstvergessen, aber immer mit Bewußtsein, immer mit SCHAFFENSLUST. Es ist zwangsläufig, daß dabei unterschiedliche Entwicklungen ablaufen, Bildteile sich verstehen oder aneinander reiben, daß sich das Bild erst im Werden und Vergehen über Chaotisierungen nach und nach gestaltet. Und fertig ist es für mich dann, wenn ich eine Kongruenz zwischen dem Bild und mir erlebe.

Ein Bekannter wollte einmal wissen, was ich so in meinem Atelier tue und als ich ihm sagte, daß ich fast durchgängig fünf Vormittage in der Woche dort tätig bin, stöhnte er: Um Gottes Willen, das artet ja in Arbeit aus. Und das - von mir hinzugefügt - im Ruhestandsalter. Womit der ganz recht hatte, einerseits. Andererseits meine ich, kennt derjenige nicht die Leckerbissen des Lebens (das ist ein Zitat), der nicht erleben kann, was es bedeutet, wenn aus Arbeit sinnvolle, befriedigende, künstlerisch-kreative Tätigkeit und damit ERLEBEN wird.

Ingeborg Bachmanns Gedicht "Wir traten ein in verwunschene Räume und leuchteten das Dunkel aus mit den Fingerspitzen" ist ja zweifellos ein Liebesgedicht und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, hat es viel mit meiner Tätigkeit zu tun: mit meiner Liebe zum TUN, mit meiner Liebe zur KUNST, mit meiner Liebe zur KREATIVITÄT.

Zum Schluß möchte ich den von mir hochgeschätzten, 1989 verstorbenen Diether Rudloff zitieren, der etliche Jahre in Gundelfingen hier bei Freiburg lebte und als Feuilleton-Redakteur tätig war:

"Wahre Kunst ist nicht machbar. Sie ist weder Ausdruck eines intellektuellen, gedanklichen Vorsatzes, noch ein solcher der unkontrollierten Triebe und Instinkte. Sie kann immer nur das Ergebnis eines innermenschlichen Entwicklungs- und Reifeprozesses sein. In diesem Sinne ist sie dann im letzten Ergebnis Gnade oder Geschenk".

Bevor ich Sie nun ermuntere, Fragen zu stellen, will ich die Cellistin bitten, mit Hilfe von Johann Sebastian Bach hier diese verwunschenen Räume mit den Fingerspitzen auszuleuchten.


1. Walter Sturm: Vernissage-Rede vom 12.05.2006 -
    warum nichtgegenständliche Kunst?

Vor einigen Monaten habe ich anlässlich einer Vernissage erstmals selbst eine kleine Einführung in meine Arbeit gegeben. Die Resonanz war so überzeugend, dass ich das heute wieder tue und, weil mir das sehr wichtig ist, noch einmal aus dem Gedicht von Ingeborg Bachmann zitieren möchte:

"Wir traten ein in verwunschene Räume und leuchteten das Dunkel aus mit den Fingerspitzen"

Das Malen meiner Bilder, fernab von Vorstellungen jeglicher Art, führt in Bereiche des Unbekannten, des noch nie Dagewesenen, in verwunschene Räume, für manche gewiss auch in Bereiche des Gewöhnungsbedürftigen, Bereiche, die sich, so hoffe ich, am Schluß meiner Ausführungen und nach intensivem "Schauen" der Poesie des "Verwunschenen" geöffnet haben werden.

Die Ausstellung gliedert sich in drei Gebiete; hier die Bilder, die entstanden sind in der farblichen Auseinandersetzung mit Naturgewalten: Überschwemmungen, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Feuers- brünsten; da die Bilder, die in Farben und Formen mehr dem "schönen Bild" angehören und da auf dem Tisch und an dieser Wand Arbeiten auf Papier, bei denen die Lust am Spiel, am Fabulieren und auch am Scherz Pate standen.

Ich habe mich in den letzten Monaten viel mit Willi Baumeister und seinem Buch "Das Unbekannte in der Kunst" beschäftigt. Baumeister interessierte (ich zitiere aus dem Nachwort des Buches) das Abenteuer der Kunst, die Reise ins "Unbekannte", die Begegnung mit den guten Geistern und mit den weniger guten Dämonen, was ihn am Rande auch interessierte, war die Verteidigung des Schaffenden gegen die Unvernunft des Vorurteils.

"Das Unbekannte in der Kunst" von Willi Baumeister1 ist auch heute noch eine Fundgrube für viele bildende Künstler, weil er mit seinen Ausführungen die Folgerichtigkeit des Übergangs von der gegenständlichen zur nicht gegenständlichen Kunst aufzeigt. Baumeister bezeichnet gegenständliche Kunst als Nachbildung und stellt dagegen die frei geschaffene, nicht gegenständliche Kunst. Diese nennt er "Formkunst" und hebt darauf ab, daß Bekanntes, also Gegenständliches zu geben, keine Kunst sei, sondern Wiederholung, weil in der gegenständlichen Kunst das Geheimnis, das bisher Unbekannte, kaum mehr Platz hätte. In früheren Zeiten sei das noch anders gewesen, weil es noch so vieles zu entdecken gab, was aber heute, so Baumeister, hinlänglich bekannt sei und vielenorts billig gelehrt und gelernt werden kann.

Man könnte sich natürlich fragen, ob die von Baumeister aufgestellten Thesen heute noch so eindeutig gelten, nachdem die Wiederholung namentlich seit Andy Warhol als Kunst angesehen wird. Die Klärung dieser Frage kann aber nicht Gegenstand dieser Ausführungen sein, deshalb zurück zu Baumeister. Der sagt nämlich in seinem zwischen 1943 und 1945, also dem Kriegsende zu geschriebenen Buch: Heute ist die künstlerische Leistung, dem Unbekannten entgegenzugehen.

Da aber beginnt ganz oft die Tragödie zwischen Kunstwerk und Betrachter, womit ich auf das im Nachwort des Buches angesprochene Vorurteil zurückkomme. Für die allermeisten Menschen ist Kunstgenuß nämlich die Erfüllung einer Ahnung in dem Sinne, dass im Kunstwerk Vorstell- und Erinnerbares gesucht wird, weil die Konfrontation mit noch nie gesehenen Farben und Formen doch eine arge Verunsicherung darstellt. Wer mit solchen Erwartungen an ein Bild herangeht, wird stets Gegenständliches suchen, das ihm die Ahnung erfüllt und dann seinen Kunstgenuß vermittelt, womit ein Erkennen nicht gegenständlicher Kunst sich aber ausschließt. Das passiert bedauerlicherweise nicht wenigen Menschen und Cézanne ist unbedingt zuzustimmen, wenn er in einem Brief schreibt: "Die Kunst wendet sich an eine äußerst geringe Anzahl von Individuen".

Wie aber könnte der interessierte Kunstbetrachter Zugang zu einer Kunst finden, die überhaupt keine Regeln kennt, immer auf Ausnahmen vom Standpunkt des Erfahrungsmäßigen beruht, weil Erfahrung auf Kunst nie angewandt werden kann? Weil das Unbekannte in der Kunst den polaren Gegensatz zu jeder Erfahrung bildet?

Willi Baumeister (auf ein Minimum zusammengezogen) meint, der Betrachter solle nicht denkerisch reflektieren, sondern sich allein seinen Sinneseindrücken ohne Erfahrungshereinnahme öffnen. Das Rätselhafte und die Vieldeutigkeit der Formen und Farben führt auf eine erste Stufe, von der aus ein Gesamteindruck entsteht. Rhythmen und Gegenrhythmen des Formhaften und des Farbhaften genügen, um intensivste Eindrücke hervorzurufen, die menschlich-empfindungsmäßig deutlich spürbar sind. Baumeister legt dabei größten Wert auf die Unterscheidung zwischen einem körperhaften, sinnsuchenden, sofort einordnen und begreifen wollenden Sehen und einem ursprünglichen, elementaren, über der Ratio stehenden Schauen, wie es namentlich beim Kind noch ausgebildet ist.

Nachbildende Künstler schaffen aus der Vorstellung, eigentlich aus der Wiederholung der äußeren Wirklichkeit. Dagegen steht die originale Kunst, die ein Kunstwerk ohne Vorbild aus dem bisher Unbekannten entstehen läßt. Künstler, die keinem Vorbild früherer Kunst oder der Natur nachstreben, die das Unbekannte nicht scheuen, sondern nur auf sich vertrauen, sind in der Lage, das ständig wechselnde Angebot neuer Formen aufzunehmen und künstlerisch zu gestalten. Und was bei mir da so entstehen kann, können Sie in dieser Ausstellung sehen (Homepage-Besucher klicken im Menü auf Bilder).

Die Schwierigkeit, ich erwähnte das schon, liegt darin, dass der Betrachter keinen aus der Erfahrung stammenden Halt finden kann. Sollten Sie sich also an manches nicht gewöhnen können, so versuchen Sie einfach einmal, Ihr sinnsuchendes, einordnen und begreifen wollendes Sehen hintanzustellen und sich einem staunenden Schauen mit der Naivität des Kindes zu öffnen.

Die Kunst hat sich frei gemacht von der Beobachtung und Nachbildung der Natur, wie sie sich im Laufe der Zeiten von vielen anderen Bindungen löste - denken Sie an religiöse Kunst, denken Sie an Einzel- und Familienporträts, denken Sie an Stillleben und ähnliches. Und je mehr sich die Kunst von allen Bindungen befreit, desto mehr wird sie reine und freie Kunst. Für mich bedeutet das, stets dem Unbekannten nachzuspüren, wo es nach meiner Empfindung noch unendlich viele verwunschene Räume zu entdecken gibt.

Zum Schluß stelle ich jetzt einfach eine Behauptung auf. Die vom Fagottisten Herrn Scholz (von den Freiburger Barocksolisten) gespielten Stücke (Willson Osborne (1906 - 1979), Rhapsody for Bassoon und Eugène Bozza (1905 - 1991), Meditation: Andante con mosso), waren den meisten von uns bisher unbekannt. Insofern hat uns der Fagottist Unbekanntes vermittelt, und ich bin überzeugt, Sie alle haben das wie auch ich als Kunst empfunden. Nun freuen wir uns alle auf die Wiederholung, und das ist kein Widerspruch zum vorhin Gesagten. In der Musik, der flüchtigsten aller Künste, ist die Wiederholung unabdingbar, sie hat da einen ganz anderen Stellenwert, als in der darstellenden Kunst.

1 Willi Baumeister wurde 1889 in Stuttgart geboren, war dort nach dem Krieg an der Kunstakademie als Professor tätig und ist 1955 in Stuttgart gestorben. 1933 hatte man seine Werke als entartet aus den Museen entfernt. Durch den Bombenkrieg aus Stuttgart vertrieben, lebte er von 1943 bis 1945 in Urach und am Bodensee, wo er während der Verfemung das Buch "Das Unbekannte in der Kunst" schrieb.